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Militäruhren:
Uhren der japanischen Streitkräfte

von Konrad Knirim (Artikel erschienen in Klassik Uhren September 2001)
 

Einleitung
Ein solches Thema hier in Europa zustande zu bekommen, ist deshalb schwer, weil die Geschichte nunmal hier keine Objekte und damit Sammlerstücke hinterlassen hat, und weil uns die Deutung der japanischen Schrift und der historischen Gegebenheiten doch so fern liegt.

Deshalb bedankt sich der Autor besonders herzlich bei denen, die das Zustandekommen dieses Artikels möglich gemacht haben:
Den entscheidenden Anteil hat Don Wright, der seine Sammlung dem Autor für Fotos zur Verfügung gestellt hat. Einige Bilder wurden aus Publikationen der World Photo Press (WPP) von Kesaharu Imai abgekupfert, ein Foto stammt von Steffen Röhner. Mehrere Fotos von Kamikaze-Piloten mit umgehängten Uhren fand der Autor in einer Sonderausstellung im Fleet Air Arm Museum der Royal Navy in Yeovilton, Somerset, England. Bei der Identifikation der Markierungen half Tadashi Noda von WPP.

Was leider fehlt, ist erstens die Darstellung der Uhren-Beschaffung durch die beiden japanischen Teilstreitkräfte Heer und Marine, eine eigenständige Luftwaffe gab es nicht, zweitens die Darstellung der Entstehung der Uhren, z. B. wie weit waren Schweizer Vorbilder beteiligt. Es ist wohl so, dass in den zwanziger Jahren an der Entwicklung einer eigenständigen Navigationsuhr gearbeitet wurde. Nach einem Brand wurden jedoch alle Vorarbeiten vernichtet, so dass schließlich der Nachbau des Ulysse Nardin Chronometers vorrangig wurde.

Die verfügbare Geschichte des Herstellers Seiko (s. Kasten) geht wie bei den meisten heutigen Uhrenherstellern nicht auf die Rüstungslieferungen im Zweiten Weltkrieg ein. Das würde ja evtl. dem Ansehen schaden, es sei denn man setzt auf das Fliegeruhren-Image.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Zeit sowohl im Krieg wie ja auch im zivilen Leben eine bedeutende Rolle spielt. Jedes Land, England, Amerika, Deutschland und Japan hatte seine eigenen Ausführungen von Militäruhren, die allerdings beim Vergleich ein sehr ähnliches Design zeigen.

Einige solcher militärischer Zeitmesser aus Japan werden in diesem Bericht dargestellt: Da diese Uhren bei Sammlern insbesondere in Europa nur sehr selten auftauchen, kann dieser Bericht absolut nicht vollständig sein. Es gab bisher auch selten Berichte über japanische Militäruhren. Bei der amerikanischen SMH der 'Society of Military Horologists', des Chapter 143 des NAWCC sind bisher zwei schwarz-weiß Berichte in hektographierter Form erschienen. Erstens über Luftwaffen-Uhren: 'Japanese Aviation Timepieces' von Gary D. Nila 1993 und zweitens eine reine Bildsammlung 'A Collection of WW II. Japanese Military Timepieces' von John Mitchel aus England 1997. Im wesentlichen wurden einige Varianten der hier gezeigten Uhren z. T. in anderer Ausführung wie Gehäuse-Material oder gedrehtem Zifferblatt oder mit Marken anderer Teilstreitkräfte gezeigt.

Vermutlich zum ersten Mal in diesem Zusammenhang können hier ein Schiffs-Chronometer und Wanduhren vorgestellt werden.

Vorgestellte Uhrentypen:
- Schiffs-Chronometer und Schiffs-Wanduhren
- Besondere Zeitmesser
- Flugzeug-Borduhren
- Kommandouhren und Taschenuhren
- Artillerie-Chronographen und Stoppuhren
- Armbanduhren

Hersteller:
Fast alle japanischen Uhren, die bisher zu sehen waren, trugen das Herstellerzeichen 'Seikosha' oder 'K. Hattori', Vorläufer der heutigen 'Seiko Co. Ltd. Ginza Tokyo, Japan'. Bei einer Schiffs-Wanduhr und bei einem Zeitzünder erscheint der Hersteller Aiti Tokei Denki KK. Schweizer und deutsche Produkte insbesondere Chronographen und Armbanduhren wurden ebenfalls von japanischem Flugpersonal getragen.

Schiffs-Chronometer
Beschreibung: Das hier gezeigte Seikosha Chronometer Nr. V- 872 im dreiteiligen Holzkasten mit Schauglas ist nummerngleich in Werk, Zifferblatt und Kasten. Das Werk in hervorragender Oberflächen-Bearbeitung mit Chronometerhemmung, Kette und Schnecke ist ein Nach- oder Lizenzbau von Ulysse Nardin. Das Zifferblatt ist über der Mittelachse in Kanji und Katakana beschriftet: 'Seiko, Längenkreis', im Sekundenkreis mit der Nr. V-872 in lateinischen Zeichen. Die kleine Beschriftung unten am Zifferblattkranz konnte noch nicht gedeutet werden. Elektro-Sekundenkontakte zur Ansteuerung von Nebenuhren oder andern Signalen werden zu je einem Stecker innen und außen geführt.

Schiffs-Wanduhren
Schiffs-Wanduhren mit Wochenwerk wie die von Seikosha in verschiedenen Ausführungen sind häufig, z. B. die Nr. 11227, Beschriftung auf dem Zifferblatt '1-Wochenwerk', auf dem Gehäuserand die Gehäuse-Nr. A 831.
Erstaunlicherweise hat die Schiffs-Wanduhr Nr. 104 von Aititokei Denki KK. Nagoya, Japan ein Tageswerk, Beschriftung auf dem Zifferblatt 'Tageswerk, Mod. 1', auf dem Gehäuserand der Marine-Anker und die Gehäuse-Nr. B 238. Ein kleines ungewöhnliches Detail: Aufzug linksherum.

Besondere Zeitmesser
Der militärische Apparat mit seinen vielfältigen Funktionen benötigt eine große Zahl Zeitmesser, die über die Funktion 'Uhrzeit anzeigen' hinaus gehen. Hierzu zählen eine Zeitzünder-Einrichtung, eine Dunkelkammer-Uhr und eine Wächter-Kontrolluhr.

Wofür das Zeitzünder-Gerät der Marine Nr. 1235 vom Hersteller 'Aiti Tokei Denki Co. Ltd.' genutzt wurde, ist nicht geklärt, es kann z. B. in Torpedos eingebaut gewesen sein. Die Laufzeit von 36h deutet eher auf Seeminen hin.

Die Nachbearbeitung der umfangreichen fotographischen Anwendungen wie Ziel-Fotografie etc erfordert Fotolabors und dazu gehört eine Dunkelkammer-Uhr. Aufschrift auf Kasten und Typenschild: 'Dunkelkammer-Uhr', Nr. 1270. Der fünfzackige Stern der Armee identifiziert den Truppenteil.

Die Bewachung militärischer Objekte erfordert Kontrolle und dazu gehört neben dem Kontrollbuch die Wächteruhr: Hier die Nr. 5796 von K. Hattori & Co. Ltd. Ginza, Tokyo. Zifferblatt-Signatur: 'KH' in einer Raute. Die Uhr ist offensichtlich identisch zu der von der deutschen Kriegsmarine genutzten, von Bürk, Schwenningen. Der Deckel zeigt den Weg, wie solche Uhren in den Besitz von Sammlern gekommen sind, als Kriegsbeute. Folgender Text ist eingeritzt: 'Taken from Yokusuka Naval Air Base Japan, Sept. 26. 1945, R. H. Gerber'

Flugzeug-Borduhren
Beschreibung: Hersteller Seikosha, vor 1940 Messinggehäuse und -Anschlüsse, nach 1940 Leichtmetall, Dreh7lunette mit roten, blauen oder grünen Pfeilen zur Zeitmarkierung, große arabische Radium-Leuchtziffern (radioaktiv), Flansch mit 4 Befestigungslöchern für das Flugzeug-Instrumentenbrett, großer Messing-Knauf (bis 1949) oder Plastik-Knauf (nach 1940) zum Aufziehen und Stellen, ca. 7,5 cm Durchmesser.

Solche Uhren waren bei allen japanischen Flugzeugen in den Instrumenten-Brettern. Alle Uhren hatten ursprünglich ein Hersteller-Typenschild. In einigen Fällen kann man die Spezifikationen übersetzen mit 'Typ 100 Uhr.' Einige Typenschilder zeigen den Stern der Armee zwischen anderen Inspektions-Markierungen, wurden also von den Heeresfliegern genutzt. Vermutlich gibt es auch Exemplare mit dem Anker der Marine. Die 'Typ 0' Spezifizierung deutet am ehesten auf die Marine hin. Mitunter wird die Uhr auch 'Zero Clock' genannt nach dem Jagdflugzeug 'Zero-Fighter' von Mitsubishi.

Messinggehäuse-Uhren stammen frühestens von 1936 und spätestens von 1939. Sie sind schwerer und haben einen dunklen goldgelben Glanz mit schwarzer Farbe, die leicht bei Druck abplatzt. Sowohl der Drehknopf als auch das Typenschild sind ebenfalls aus Messing. Wieder ist in all den frühen Exemplaren der Armee-Stern eingestempelt.

Die Uhren nach 1940 haben ein Aluminium-Gehäuse mit einem Plastik-Drehknopf und ein Typen-Schild aus Aluminium. Sie sind matt-schwarz lackiert und unter der Farbe erscheint ein mattes graues Metall. Ein Stück Fallschirmseiden-Kordel ist häufig durch die Befestigungslöcher gezogen, was zeigt, dass der Pilot die Uhr so um den Hals trug, dass er korrekt die Zeit von oben ablesen konnte.

Die Fotos zeigen Kamikaze-Piloten der Heeresflieger mit den Uhren um den Hals vor ihrem letzten Abflug. Manche Drehknöpfe zeigen nach oben, einer nach unten, alle Uhren hängen vom Betrachter gesehen verkehrt herum.

Nach Aussagen von Marinepiloten wurden Uhren nicht ausgegeben, sondern privat gekauft, und sie waren offensichtlich ein Luxusgegenstand. Viele Marinepiloten haben eine Uhr nach dem Abschluss der Flugschule von Freunden oder Verwandten geschenkt bekommen.

Die meisten Marinepiloten berichten jedoch, dass sie nie eine Uhr getragen haben. Offensichtlich waren die Gepflogenheiten bei Marine- und Heeres-Fliegern ganz unterschiedlich. Man muss auch wissen, dass das eigenmächtige Abnehmen einer Uhr aus einem Flugzeug Diebstahl war und schwer bestraft wurde.

Kommando-Uhr
Die große Taschenuhr von Seikosha hat ein typisches B-Uhren-Design des Zifferblattes aber, obwohl das Gehäuse einen Durchmesser von 65 mm hat, ein ganz normales Taschenuhrwerk. Das Werk hat 36h Laufzeit, 17 1/2 ''', sogar nur 7 Steine und eine Schrauben-Bimetall-Unruh mit Breguet-Spirale, aber genügt nicht den Präzisions-Anforderungen an eine Navigationsuhr.

Taschenuhren
Beschreibung: Hersteller: Seikosha, 36h Laufzeit, 17 1/2 ''', hier allerdings 15 Steine, Bimetall-Unruh mit Breguet-Spirale, vernickeltes oder verchromtes Gehäuse, arabische Zahlen, Leuchtpunkte bei jeder Ziffer, ca. 2 1/2 Zoll groß, gewölbtes Glas

Das Zifferblatt ist hier weiß oder schwarz, die Ziffern sind groß, daneben kleine Leuchtpunkte. Es gibt verschiedene Sekunden-Zeiger und Skalen. Ein Band aus Fallschirmseide, wenn nicht eine Kette wurde zum leichteren Tragen um den Hals genutzt.. Auf dem Rückdeckel findet man mitunter ein Inspektionszeichen der Marine, sowie ein Schriftzeichen für Flieger, mitunter auch persönliche Gravuren.

Artillerie-Chronographen
Wenn man Militäruhren aus Japan begegnet, dann relativ häufig den Seikosha Artillerie-Chronographen für alle Arten von Laufzeit-Messungen.

Hier ein Beispiel von der Marine: 'Sekunden Uhr Typ 1 Klasse 2'. Die Rückseite der Uhr zeigt die No. 117 und ein Zeichen im Kreis, welches 'Wasser' bedeutet und auf den Einsatz auf einem Torpedoboot oder U-Boot hindeutet.
Oder ein Beispiel von den Flieger-Truppen: Der Schweizer Taschenchronograph von Moeris ist gekennzeichnet mit 'Typ 89', Markierung auf der Rückseite: 'Luftwaffe Sekundenuhr Typ 1'. Er war in einer Vorrichtung an einer Bordgeschütz-Kamera befestigt.

Stoppuhren
Ebenso wie die Chronographen dienten Stoppuhren der Laufzeitmessung in vielen Bereichen. Die geläufigste Anwendung ist die Artillerie-Entfernungsmessung. Gemessen wird die Zeitdifferenz zwischen dem Eintreffen des Blitzes und des Donners, also die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Licht (300.000 km/Sek) und dem Schall (300.000 m/sec). Die Seikosha Uhren hatten z. T. lateinische Zifferblatt- Beschriftung: 'Phonotelemeter' oder in Kanji auf dem Deckel: 'Akustischer Distanz-Messer' z. B. für das Zielfernrohr oder für Torpedo-Laufzeitmessungen auf einem Torpedo- oder U-Boot.

Die große Fliegeruhr
Hersteller: Seikosha, Werk: 17 Steine, Bimetall-Unruh mit Breguet-Spirale, indirekte Zentralsekunde, Gehäuse: vernickelt, Drehlunette, arabische Zahlen mit vergrößerten 3.6.9.12, Leuchtziffern auf schwarzem Grund, fast 50 mm Durchmesser. Diese Uhr hat zwei ca. 15 cm lange breite Lederarmbänder, lang genug, so dass der Pilot die Uhr am Unterarm über der dicken Fliegermontur tragen konnte.

Auch diese Uhren wurden nicht ausgegeben, sondern privat gekauft. Das Werk mit Zentralsekunde ist das gleiche wie das der Borduhr und beruht auf dem gleichen Basiskaliber wie das der Taschenuhr mit kleiner Sekunde. Es hat keine Stoßsicherung. Eine große Aufzugskrone erlaubte die Bedienung auch mit Handschuhen.

Die Uhr war nicht mit dem Stern oder Anker für die beiden fliegenden Waffengattungen markiert. Fotographien zeigen jedoch, dass sowohl Marine als auch das Heer diese Armbanduhr ebenfalls benutzten.

Die Armbanduhren
Diese Uhren gibt es mit und ohne Drehlunette in unterschiedlicher Gehäuseform. Sie sind meistens auf dem Zifferblatt mit dem Stern des Heeres oder dem Anker der Marine und der Herstellerbezeichnung 'Seiko' beschriftet.

Alle Uhren hatten die Indikation in arabischen Ziffern, während in den Bezeichnungen sehr wohl die japanischen Ziffernzeichen verwandt wurden.

Literaturhinweise:
Kesaharu Imai, Military Watch Encyclopedia, Green Arrow, ISBN: 4-7663-3185-0

Kesaharu Imai, Zeitschrift 'mono' Nr. 177 1990

Gary D. Nila: 'Japanese Aviation Timepieces' 'Society of Military Horologists' 1993

John. Mitchel, 'A Collection of WW II. Japanese Military Timepieces' 'Society of Military Horologists' 1997.

Marvin E. Whitney, Military Time Pieces, American Watchmakers, ISBN: 0-918845-14-9.

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