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Frühe Deutsche Hersteller von Marine-Chronometern:

Johann Heinrich Kessels und seine Nachfolger
Uhren Journal für Sammler klassischer Zeitmesser 6/92

Älteste deutsche Chronometerwerkstatt geschlossen
Mit dem Jahresende 1991 schloss in Hamburg eine der traditionsreichsten deutschen Chronometerwerkstätten, zugleich die älteste erhaltene, endgültig ihre Pforten: die im Jahre 1821 von Johann Heinrich Kessels in Altona gegründete Firma mit dem späteren Namen Theodor Knoblich. Die Bedeutung dieser Firma - besonders im 19. Jahrhundert, als das Marinechronometer noch ein Politikum und ein Chronometermacher eine angesehene Persönlichkeit war -macht einen kürzen Rückblick auf ihre Geschichte notwendig. Während man heute davon ausgehen würde, dass Kessels als Deutscher eine Werkstatt in Deutschland gegründet hat, so ist das für die damalige Situation a' la Radio Eriwan nur 'im Prinzip' richtig. Denn erstens war der gebürtige Holländer Kessels Däne und zweitens gehörte Altona noch bis 1866 zum dänischen Königreich.

Kessels wurde 1781 in Maastricht geboren, ging. zunächst bei einem Grobschmied in die Lehre, lernte dann ab 1807 in Altona bei einem unbekannten Chronometermacher und wechselte schließlich nach Paris zu keinem geringeren als Abraham Louis Breguet. Anschließend arbeitete er in London und ab 1820 in Kopenhagen in der Werkstatt von Urban Jürgensen. 1821 übersiedelte er nach Altona und machte hier mit Unterstützung des dänischen Königs eine eigene Werkstatt auf, deren genauer Standort bisher nicht bekannt ist. Kessels wurde 1827 Ritter des Danebrogordens und erfreute sich auch weiterhin der Protektion des dänischen König. Friedrich VI. Er starb im Jahre 1849 in Bristol an der Cholera.

Kessels war berühmt für seine hervorragenden und sehr präzisen Marine- und Taschen-Chronometer und Präzisionspendeluhren, die ohne weiteres den Vergleich mit den Instrumenten von Breguet, Jürgensen oder Arnold aushalten. Er erfand außerdem eine Hemmung für Großuhren, die eine Weiterentwicklung der Graham Hemmung war. Ein eindrucksvolles Beispiel der Zusammenarbeit von Kessels und Breguet ist ein kompliziertes Tischchronometer Breguets aus der Zeit um 1820, das neben Breguets Signatur auf der Werkplatine die Aufschrift hat 'La partie chronométrique par Kessels 1312'; Kessels hat also für die se Uhr die Hemmungspartie gefertigt. Ein weiteres interessantes Einzelstück ist das von Kessels begonnene 8-Tage-Marinechronometer Nr. 1287, das laut der Zifferblattaufschrift von Edward John Dent, mit dem er befreundet war; für Kessels Witwe fertiggestellt worden ist (v. Bertele, Marine- und Taschenchronometer; Abb. 91).

Kessels war nicht nur ein überragender Chronometermacher sondern auch Internationalist er war in allen Zentren der westlichen Welt zu Hause. Ein typisches Beispiel dafür, wie wenig Bedeutung schon damals Ländergrenzen für große Persönlichkeiten hatten.

Nach Kessels Tod übernahm Friedrich Moritz Krille (1817-1863) seine Werkstatt der die Lehrzeit bei dem berühmten Dresdner Hofuhr- und Chronometermacher Johann Friedrich Gutkaes gemacht hatte; übrigens gleichzeitig mit Ferdinand Adolf Lange, und der anschließend bei Breguets berühmtem Meisterschüler Joseph Thaddäus Winnerl in Paris arbeitete; wiederum ebenso wie Lange.

Nach Krilles Tod 1863 übernahm Theodor Knoblich (1827-1892) die Werkstatt, in der er vorher bereits gearbeitet hatte, und dessen Namen sie fortan bis 1992 trug. Von Knoblich sind viele gute Marinechronometer bekannt. Er verwendete hauptsächlich qualitätvolle englische Rohwerke von Mercer oder Kullberg.

Knoblich setzte sich 1891 zur Ruhe und verkaufte die Werkstatt an A. Meyer, der sie in die Hamburger Innenstadt, an den Alten Wall, verlegte. Meyer war der letzte Firmeninhaber, der noch Marinechronometer herstellte. Die Geschäftsverlegung ist in seinen Signaturen nachvollziehbar. Sie lauteten 'Th. Knoblich Hamburg Altona'. Zwischen 'Hamburg' und 'Altona' wurde nun nachträglich auf bereits fertigen Zifferblättern ein kleines 'früher' eingefügt.

Nach Meyers Tod verkauften seine Erben das Geschäft 1911 an Robert Prause, der es als Laden und Reparaturwerkstatt für Chronometer bis 1943 allein betrieb. 1943 wurde das Geschält bei einem Bombenangriff mit allem Inventar, zu dem auch viele von dem geschichtsbewussten Prause gesammelte Dokumente und Unterlagen gehörten, vollkommen zerstört. Für den Wiederaufbau nahm Prause Walter Möller als Kompagnon. Nach Prauses Tod 1948 führte Möller das Geschäft allein, bis es der letzte Inhaber Franz Sternberg im Jahre 1961 von ihm übernahm. Sternberg hatte bei Möller/Prause seine Uhrmacherlehre gemacht, arbeitete anschließend bei verschiedenen anderen Firmen und kehrte 1960 zu Möller zurück. Er verlegte das Geschäft wieder nach Altona, in die Marktstraße 8, wo er es Ende 1991 nach fast genau dreißigjähriger Betriebszeit schloss, um in den Ruhestand zu gehen. Wie seine Vorgänger Prause und Möller baute Sternberg zwar keine Chronometer mehr, aber er wartete und reparierte sie noch. Nun gibt es für Chronometersammler auch diese Adresse in der Altonaer Marktstraße 8 nicht mehr.

Das war die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass Sternbergs Sohn Harro, ebenfalls ausgebildeter Uhr- und Chronometermacher; weiter eine private Reparaturwerkstatt, auch für Chronometer; in Hamburg-Berne unterhält.

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