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Hersteller von Militäruhren:
Minerva
Fabrique Minerva, Robert Frères S.A. Villeret Schweiz

Von Richard Knerr, veröffentlicht in 'Alte Uhren und moderne Zeitmessung 6/90'

Geschichte
Wer einen alten Uhrmacherkalender aufschlägt und darin eine Tabelle über Taschenuhr-Zugfedern findet, stößt manchmal auf eine Klassifizierung der Federn nach 'Robert'-Zahlen. Bei Schulte (Lexikon der Uhrmacherkunst) steht genauer 'nach Charles Robert' und damit wird der Name des Firmengründers von Minerva genannt, einer Firma, die seit über 130 Jahren existiert.

Im Jahre 1858 rief Charles Robert die Firma Minerva im Städtchen Villeret im Berner Jura ins Leben. Der Betrieb stellte lange Zeit keine eigenen Uhrwerke her, sondern montierte lediglich Fremdfabrikate, und zwar nach Auskunft von Andre Frey vorzugsweise solche von Fontainmelon.

Im Jahr 1878 übernahmen die Söhne Charles und Georges, später 1885 noch Yvan das Unternehmen und gaben ihm das Firmenzeichen RFV, mit einem Pfeil dazwischen für Robert Freres Villeret. Langsam aber stetig entwickelte sich der Betrieb, nahm an Ausstellungen wie den 'Expositions universelles' in Anvers (1885) und an der Pariser Weltausstellung (1889) teil und gewann dort Medaillen für seine Produkte. Im Jahr 1895 begann Minerva, eigene Uhrwerke herzustellen. Gleichzeitig wurde die Produktion von Nickel- und Silbergehäusen für Taschenuhren aufgenommen. Die hauseigene Werkstatt zur Vergoldung der Rohwerke bestand bis 1920, die Gehäusefabrikation wurde 1931 wieder eingestellt. 1934 wurde die Firma von dem Mechaniker Charles Haussener aus Biel und dem Uhrentechniker Jacques Pelot aus Villeret übernommen und ging schließlich 1955 an den Neffen und Erben von Jacques Pelot, Andre Frey, und an den Schwiegersohn von Charles Haussener, Maurice Favre (1960), über, die sie bis zum Jahr 1989 leiteten. Andre Frey, Physiker und Uhrentechniker, Jahrgang 1913, hatte vier Jahre bei LIP in Besancon als Ingenieur gearbeitet, ehe er 1940 zu Minerva kam. Maurice Favre, Jahrgang 1910, war als Mechaniker und Techniker ebenfalls vier Jahre bei Schaublin in Bevilard beschäftigt, bevor er sich bis 1989 für Minerva einsetzte.

Heute wird die Firma von Andre Frey und seinem Sohn Jean-Jacques geleitet. Jean-Jacques Frey ist 1953 geboren und seit 1980 bei Minerva.

Taschenuhren
Das erste Minerva-Kaliber war eine Taschenuhr mit Zylinderhemmung (Kal. 18-1), die mit geringfügigen Änderungen bis ins Jahr 1941 produziert wurde. Schon bald aber folgten (etwa um 1900) Taschenuhrwerke (als erstes Kal. 19-3) mit Ankerhemmung, die in sehr feiner Ausführung auch heute noch das Sammlerherz erfreuen, wenn sie in Originalgehäusen oder als Exportwerke unversehens aus einem unscheinbaren Double- oder Silbergehäuse heraus-leuchten. Diese Werke hatten, wie die Kaliber 17-15, 17-22, 17-23 oder das 19-linige Kaliber 19-4, durchwegs 17 Steine in geschraubten Chatons und waren zum Teil mit '5 Adjustments' (3 Lagen und zwei Temperaturen) feingestellt. Sie hatten natürlich eine bimetallische Unruh mit aufgeschnittenem Reif, Breguetspirale und eine Rückerfeineinstellung mit Schwanenhalsfeder oder Exzenterscheibe (19-4) und waren teilweise mit Genfer Streifen versehen.

Die Tatsache, dass im Fourniturenkatalog diese Werke auch unter den amerikanischen Größenbezeichnungen 12 Size und 16 Size, Negative Pendant, angeboten wurden, weist auf die damalige große Bedeutung des Exportgeschäfts für die Firma Robert Freres S.A. hin.

Die letzte Taschenuhr mit dem Namen 'Schürze' wurde 1989 kreiert. Sie ist eine so genannte Freimaurer-Taschenuhr, mit den Symbolen dieser Vereinigung als Ziffern.

Chronographen und Stoppuhren
Nach 1945 stand der Name Minerva vor allem für Kurzzeitmesser, also Chronographen und Stoppuhren. So trägt z.B. im Firmenverzeichnis Schweizer Uhrenhersteller von 1948 (Indicateur Davoine) das Unternehmen den Namen 'Minerva Sport S.A.' (Das Kürzel S.A. steht übrigens für 'Societe' Anonyme', die französische Bezeichnung für 'Aktiengesellschaft'). Von Minerva gab und gibt es Kurzzeitmesser für alle möglichen Sportarten, vom Wasserpolo bis zur Segelregatta (Abb. 6). Der erste Taschenuhr-Chronograph entstand aus dem Kaliber 19 - 9 und bekam die Kaliberbezeichnung 19-9CH. Er hatte wie auch die Kaliber 13-20, 17-29 und 14-52 kein Stundenzählwerk, konnte aber wahlweise bis 30 bzw. 45 Minuten registrieren. Der älteste Beleg für seine Existenz stammt laut Minerva aus dem Jahr 1908. Er wurde aber - immer wieder in Details verbessert - bis in die fünfziger Jahre gebaut. Das 'Sparkaliber' 14-52 ging erst 1943 in Produktion. Es war von Andre Frey konstruiert worden und hatte weder ein Kolonnenrad noch Zahnräder zum Antrieb des Chronographenzeigers, sondern vielmehr eine Reibkupplung.

Auch die Stoppuhrproduktion geht mindestens bis zum Jahr 1918 zurück. Aus diesem Jahr existieren erste Aufzeichnungen über das Kaliber 19-14, das zur Grundlage für alle weiteren Stoppuhrkaliber wurde. Das letzte Kaliber (19-55) mit 12-Stunden-Zähler wurde 1969 konstruiert und wird immer noch produziert. Es ist das bislang letzte mechanische Stoppuhr-Kaliber aus dem Hause Minerva.

Die Stoppuhren mit Schleppzeiger (Rattrapante) haben dagegen das Chronographenkaliber 9CH als Grundlage. Das erste Kaliber war 19-25. Es entstand zu Anfang der zwanziger Jahre und hatte ein permanent laufendes Werk. Etwa 10 Jahre später entstand das Kaliber 19-39, das immer noch hergestellt wird und ohne permanenten Lauf auskommt.

Auf dem Gebiet der Stoppuhren gelang Jacques Pelot eine Erfindung, die sehr zur Steigerung der Zuverlässigkeit dieser Geräte beitrug und bald von anderen Firmen übernommen wurde (patentiert 1930). Er ersetzte die flachen Federn, die zur Betätigung der Mechanismen gebraucht werden, durch Spiralfedern, die bei weitem nicht so leicht zu Bruch gehen.

Jacques Pelot war im übrigen ein vielseitiger Erfinder. Er erhielt auch ein Patent (ebenfalls 1930) auf eine Savonnette-Uhr, die durch das Öffnen und Schließen des Sprungdeckels aufgezogen wird.

Zurück zu den Stoppuhren: Die erwähnten Kaliber wurden für ganz unterschiedliche Schlagzahlen (und damit untere Grenzen für die Stoppzeiten von 1/5-Sekunde bis herab zu 1/100-Sekunde) gebaut. Dabei wurden im wesentlichen nur die Unruhen samt ihren Spiralen und Rückerzeigern verändert. Lediglich das Kaliber 19-42, dessen Zeiger eine volle Umdrehung pro Sekunde macht, erhielt darüber hinaus noch dünnere Räder mit einem kleineren Trägheitsmoment. 1949 wurde eine weitere Erfindung von Andre Frey patentiert, die ins Kaliber 19-53 einging: Zurücksetzen und Start der Zeiger erfolgen hier auf einen einzigen Knopfdruck.

Armbanduhren
Selbst bei Minerva weiß man nicht mehr genau, wann die Produktion von Armbanduhren wirklich aufgenommen wurde. Die ältesten Kaliber sind 12 - 12 und 93/4-19, feine Werke mit 17 Steinen und Breguetspirale, die nur etwa 4 mm dick waren. Es gibt Gehäusenummern für diese Kaliber aus dem Jahr 1918. Das Kal. 93/4-19 ist das kleinste, das Minerva je gebaut hat. Schon zu Anfang der zwanziger Jahre (1923) wurde auch ein Armbandchronograph mit einem oder zwei Drückern mit dem bereits erwähnten Kaliber 13-20 hergestellt, der als Renommierstück der Armbanduhrenabteilung gelten kann. Das zeigt sich schon daran, dass Minerva 1988 einen auf diesem Kaliber basierenden Armbandchronographen zusätzlich mit Kalendarium und Mondphase auf den Markt gebracht hat, in einer limitierten, nummerierten Auflage von nur 50 Stück, mit Saphirglas und verglastem Werk, aber in einem massiven Goldgehäuse. Es versteht sich von selbst, dass der Preis dieser Exklusivität entspricht.

Sonstige Geräte und neueste Entwicklung
Zum Schluss bleibt noch zu erwähnen, dass es von Minerva seit 1950 einen mechanischen Entfernungsmesser für Landkarten gibt, der mit uhrmacherischer Präzision hergestellt ist, über einen Rückstellknopf und ein Umdrehungszählwerk verfügt und neben den Stoppuhren zum zweiten Verkaufsschlager geworden ist. Mit einem derartigen Gerät lassen sich Entfernungen auf Landkarten und Plänen auch entlang von Kurven abmessen. Ein Rädchen rollt dabei über die zu messende Strecke und überträgt seine Rotation über ein Getriebe auf einen Zeiger, der die Entfernung auf einer Reihe von geeichten Skalen anzeigt, die für die gebräuchlichsten Maßstäbe ausgelegt sind.

Auch der Anschluss an die Neuzeit ist Minerva gelungen. Seit 1983 verkauft die Firma ein elektronisches Gerät (MCT 125), mit dessen Hilfe alte mechanische Turmuhren über das Funksignal von Mainflingen (DCF 77) mit der offiziellen Atomzeit synchronisiert werden können. Außerdem gibt es seit 1990 eine von Minerva hergestellte elektronische LCD-Stoppuhr (die Minerva Chronotech), die in 10 Modellen auf dem Markt ist.

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