Homepage
Militäruhren: Präzisions-Pendeluhren
Zeitsignale für die Seefahrt

Von Viktor Pröstler veröffentlicht in 'Klassik Uhren' 2/98

Die astronomischen Hauptuhren der Deutschen Seewarte in Hamburg und das Nauener Zeitsignal
Die astronomischen Hauptuhren der Deutschen Seewarte Hamburg wurde 1875 durch die Initiative von Georg von Neumayer zur systematischen Verbreitung der nautischen Kenntnisse gegründet. Eines der Ziele war die Förderung der rein deutschen Chronometerproduktion, die zur Unabhängigkeit von ausländischen Herstellern führen sollte. So wurden sukzessive bei der Zulassung zur Chronometerprüfung zum einen nur noch im Deutschen Reich ansässige Chronometermacher zugelassen, deren Instrumente komplett in Deutschland hergestellt sein mußten. Denn zum Ausgang des 19. Jahrhunderts wurden die deutschen Chronometermacher, wie Tietz, Raabe, Bröcking und andere, meist mit englischen Rohwerken beliefert.

Die Deutsche Seewarte war von Anfang an in vier Hauptabteilungen unterteilt:
1. Maritime Meteorologie;
2. Prüfung von nautischen Instrumenten, wie Sextanten, Kompassen, Barometern usw.;
3. Zentralstelle für ausübende Wetterkunde;
4. Prüfung von Chronometern und Präzisionsuhren.

Die Abteilung IV, früher 'Chronometerprüfungs-Institut' genannt, war unter anderem für die Chronometer-Prüfungen und den Zeitdienst zuständig. Die wichtigste Aufgabe des Zeitdienstes war die Auslösung und Kontrolle der funktelegraphischen Nauener Zeitsignale. Alle dazu dienenden Einrichtungen waren im sogenannten Zeitdienstzimmer untergebracht. Wie man auf der Abbildung sehen kann, befand sich an zentraler Stelle eine vier Meter lange und zwei Meter hohe Schalttafel mit allen für den elektrischen Betrieb des Signaldienstes nötigen Ein- und Umschaltern.

Es gab zwei Signalauslöse-Uhren, Glashütter Sekundenpendeluhren, und zwei Halbsekunden-Pendeluhren, die als Arbeitsuhren bei den chronographischen Uhrenvergleichen und bei den Zeitbestimmungen dienten. Weiterhin waren drei Chronographen (zwei von Fueß und einer von Hipp) zum Vergleich der Zeitdienstuhren mit den vier Hauptpendeluhren vorhanden.

Die Hauptuhren der Deutschen Seewarte
Sie befanden sich in einem besonderen Raum im Kellergeschoß, das doppelte Wände, eine aus fünf verschiedenen Schichten bestehende Decke und gut schließende Doppeltüren besaß. Die im Rauminneren herrschende Temperatur konnte somit ziemlich konstant gehalten werden. Die vier Hauptuhren der Deutschen Seewarte waren an vier je zwei Meter hohen Granitpfeilern befestigt, die auf einem gemeinsamen Betonsockel (4,5 x 4 x 1 m) ruhten. Es handelt sich um die Uhren Riefler Nr. 223 im Kupfertank, Max Richter Nr. 101 und Nr. 102 und Strasser & Rohde Nr. 219.

Knoblich Nr. 2090:
Bis ca. 1921 war auch diese Uhr im Zeitdienst eingesetzt. Diese mit einem Quecksilberpendel ausgestattete Uhr war aber den erhöhten Anforderungen nicht mehr gewachsen und konnte mit den übrigen Uhren, die alle mit Nickelstahlpendeln versehen waren, nicht mehr konkurrieren. Sie wurde durch die oben genannte Strasser & Rohde ersetzt.

Strasser & Rohde, Nr. 219:
Dieses Instrument befand sich zuerst am großen Pfeiler des als 'Mittelraum' bezeichneten Zimmers im Erdgeschoß des Gebäudes der Abteilung IV und löste, wie oben beschrieben, bei der Bestückung des neuen Uhrenraumes die Knoblich Nr. 2090 ab. Es handelte sich um eine Typ A-Uhr, d. h. sie besaß die freie Strasser Hemmung und war mit einem Strasserschen Nickelstahlpendel ausgerüstet. Anhand der Werknummer ist das Fertigungsjahr um 1900 anzusetzen. Die Gangleistungen waren anfänglich wenig befriedigend, dies wurde aber auf die nicht einwandfreie Befestigung im sog. 'Mittelraum' zurückgeführt. Bei der Neuaufstellung im Uhrenraum zeigte sie jedoch sehr gute Gangresultate.

Riefler Nr. 223:
Diese Präzisionspendeluhr wurde 1909 von der Firma Clemens Riefler, Nesselwang/München, bezogen. Es handelt sich um eine sogenannte D-Uhr mit Kupfertank und luftdicht schließender Glasglocke. Die Uhr besaß Federkrafthemmung und das Nickelstahlpendel Typ J1, Nr. 731. Wie man den Prüfprotokollen entnehmen kann, funktionierte der luftdichte Abschluß über zehn Jahre lang perfekt. Erst mit der Aufstellung im neuen Uhrenraum traten Probleme mit der Abdichtung auf, die durch Undichtigkeiten bei der Kabelzuführung bedingt waren. Dieser Fehler konnte erst im September 1920 erfolgreich behoben werden. Nach mathematischer Berechnung ergab sich eine mittlere tägliche Gangschwankung von 0,002 Sekunden.

Max Richter und sein Werk
Bevor auf die beiden Präzisionspendeluhren der Deutschen Seewarte von Max Richter eingegangen wird, hier die wenigen Daten zu seinem Leben und Werk. Max Richter wurde am 27. Oktober 1866 geboren und besuchte von 1884 bis 1885 die Uhrmacherschule in Glashütte. Er hatte während seines ganzen beruflichen Lebens stets gute Kontakte zu Glashütte und bezog die Werke für seine Präzisionspendeluhren von Strasser & Rohde.

Seit 1901 war Richter Lehrer an der Berliner Fachzeichenklasse für Uhrmacher an der Handwerkerschule. 1903 legte er seine Meisterprüfung ab und lehrte seit 1904 neben dem Fachzeichnen auch die Rad- und Triebgrößenberechnung. Eine Zeitlang war Max Richter Vorstandsmitglied des Vereins Berliner Uhrmacher und später des Deutschen Uhrmacherbundes. Am 25. Dezember 1922 verstarb Max Richter im Alter von 56 Jahren in Berlin. Er hatte gute Beziehungen zu wissenschaftlichen Instituten im In- und Ausland, die er mit Präzisionspendeluhren und anderen wissenschaftlichen Instrumenten belieferte. So befindet sich heute noch in der Stockholmer Sternwarte die Pendeluhr Max Richter Nr. 105. Von Prof. Wanach (Königliches Geodätisches Institut, Potsdam) wurde auf Ersuchen der Lissaboner Sternwarte eine Pendeluhr von Max Richter (Seriennummer nicht bekannt), die für die Zeitsignalstation in Lourenco Marques, heute Maputo, Hauptstadt von Mocambique, bestimmt war, geprüft.

Max Richter, Nr. 101
Wann die Uhr, dies trifft auch auf Max Richter, Nr. 102 zu, geliefert wurde, ist nicht mehr feststellbar; aufgestellt wurden beide Uhren im Oktober 1919 im Uhrenraum. Die Herstellungszeit von Nr. 101 ist evtl. um/vor 1906 anzusetzen.

Es handelt sich um ein Strasser & Rohde-Werk 1. Güte, d.h. alle Zapfen haben aufgeschraubte Kompositionsfutter, wobei Hemmungsrad und Anker in geschraubten Steinchatons gehen. Die Ankerpaletten sind mit Steinen versehen. Das gesamte Werk ist, wie der Originaltext anführt, 'mit besonderer Sorgfalt' ausgeführt, und die Räder sind vergoldet. Die Walze ist mit einer Aufzugsstellung versehen. Das Instrument besitzt ein Riefler Nickelstahlpendel Typ J mit Schichtungs-Kompensation (Pendel-Nr. 1777) und barometrischer Kompensation (Dosenaneroid Nr. 90). An der Hemmradachse und am Pendel befinden sich zusätzliche elektrische Sekundenkontakte.

Max Richter, Nr. 102
Es handelte sich hierbei um eine in der Ausführung vergleichbare Schwesteruhr, die im Gangverhalten, besonders was die Beständigkeit anbelangte, nicht ganz das Ergebnis von Richter Nr. 101 erreichte. Bei dieser Uhr waren größere Änderungen der Pendelamplitude feststellbar (ca. 6' bei einer Schwingungsweite von rund 80'). Dennoch wurde eine mittlere tägliche Gangschwankung von 0,011s ermittelt.

Zusammenfassend läßt sich zur Zuverlässigkeit der Uhren folgendes sagen: 'Die Leistungen dieser Uhren sind, was die Zuverlässigkeit ihres Ganges anbetrifft, als hervorragend zu bezeichnen. Insbesondere mit der Riefler 223 und der von Richter gelieferten Uhr 101, scheint die Uhrenindustrie an der Grenze der Leistungsfähigkeit angelangt zu sein, denn bei diesen bewunderungswürdigen Meisterwerken liegen die zufälligen Gangfehler hart an der Grenze dessen, was sich durch die schärfsten astronomischen Meßmethoden überhaupt feststellen läßt'.

Die funkentelegraphischen Zeitsignale der Großfunkstelle Nauen
Die drahtlose Telegraphie brachte einen großen Fortschritt bei der Übermittlung von Zeitsignalen. Der öffentliche Zeitdienst war für die Seeschiffahrt zur Bestimmung des Chronometerstandes und damit für eine sichere Bestimmung der geographischen Länge, für den Uhrmacher zur Regulierung und Abgleichung der Uhren, für die Astronomie zur genauen Bestimmung von geographischen Längenunterschieden, bei Erdbebenwarten, an meteorologischen und anderen wissenschaftlichen Instituten, von großer Bedeutung.

1905 begann man in Amerika mit der Aussendung drahtloser Zeitzeichen. In Deutschland übernahm im Jahr 1910, auf Betreiben des Reichs-Marineamtes, die Funkstation Norddeich in Zusammenarbeit mit dem Marine-Observatorium Wilhelmshaven die Übermittlung des drahtlosen Zeitzeichens. Anfang 1917 übernahm die damals fertiggestellte Großfunkstelle Nauen bei Berlin diese Aufgabe. Ursprünglich wurde das Signal von einer an der Hamburger Sternwarte aufgestellten Pendeluhr über Telegraphenleitung von Bergedorf nach Nauen gesandt. Ab 1. November 1919 wurden die Nauener Zeitsignale von der Deutsche Seewarte, Hamburg ausgelöst. Die Abgabe der Signale erfolgte jeweils um 13.00 Uhr und um 01.00 Uhr.

Die Übertragung des Zeitsignals dauerte von 12.55 Uhr bis 13.00 Uhr bzw. von 00.55 Uhr bis 01.00 Uhr. Die Auslösung und Beendigung des Zeitsignals geschah automatisch. So befanden sich die beiden Signalgeber, ein Vorsignal- und ein Hauptsignalgeber, in Nauen. An der Deutschen Seewarte in Hamburg hingen die beiden Signal-Auslöseuhren, die mit Hilfe telegraphischer Übermittlung die Signalgeber in Nauen auslösten.

Auslösung der Nauener Signalgeber durch die Deutsche Seewarte
Im Zeitdienstzimmer der Seewarte befanden sich die beiden Signalauslöseuhren, die den oben erwähnten Stromstoß automatisch nach Nauen abschickten. Eine der beiden Präzisionspendeluhren wurde 1919 von Max Richter, Berlin geliefert und besaß ein Rieflersches Nickelstahlpendel; die zweite stammte von Strasser & Rohde mit einem Strasser-Pendel. Die Uhr von Strasser & Rohde wurde schon bei der Übermittlung des Norddeicher Signals benutzt.

Abschließend sei noch H. Mahnkopf zitiert, der 1922 folgende Ausführungen zum Zeitsignal machte:
'Es dürfte vorläufig für fast alle Interessenten ausreichen, daß die Funksignale täglich zweimal abgegeben werden. Freilich ist, wie manche Leser wissen werden, verschiedentlich angeregt worden, die Pendelschwingungen einer Uhr dauernd auf funkentelegraphischem Wege zu verbreiten, und diese 'FT-Weltuhr' etwa wie bei den telephonischen Zeitsignalen, mit Einrichtung zur Kennzeichnung der einzelnen Minuten auszustatten. Unüberwindliche technische Schwierigkeiten ständen der Ausführung eines solchen Planes heutzutage nicht mehr im Wege...' Daß in nicht allzu ferner Zukunft jeder Anhänger der Weltuhr-Idee einen kleinen Empfangsapparat nebst Auffangvorrichtung für drahtlose Wellen stets bei sich führend, in jedem Moment durch die Luft aus Tausenden von Kilometern Entfernung sich die richtige Zeit würde holen können, wer möchte einem phantasiebegabten Menschen diese Hoffnung rauben?'

Literatur:
- H. Mahnkopf: Die Auslösung der funkentelegraphisehen Nauener Zeitsignale durch die Deutsche Seewarte. in: Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte, 1921
- H. Mahnkopf: Die funkentelegraphischen Zeitsignale der Großfunkstelle Nauen. in: Deutsche Uhrmacher-Zeitung, 1922
- Deutsche Uhrmacher-Zeitung, 1923
- Jahresbericht des Direktors des Königlichen Geodätischen Instituts für die Zeit von April 1911 bis April 1912, aus: veröffentlichung des Königl. Preußischen Geodätischen Instituts, Neue Folge Nr.56, Potsdam 1912
- Herbert Dittrich: Die Präzisions-Pendeluhren vor Strasser & Rohde, Glashütte. in: Hans-Jochen Kummer: Ludwig Strasser. Ein Uhrenfachmann aus Glashütte. Präzisionsuhren aus Sachsen, München 1994

>
Zurück zum Seitenanfang